Pro & Contra: Weiter in Russland Geschäfte machen

Ein Gespräch mit Thomas Brand

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine wird fast täglich über eine Verschärfung von Sanktionen gesprochen und gleichzeitig auch das Ausmaß der Abhängigkeit Europas von Russland sichtbar. Zahlreiche Konzerne haben sich, teils aufgrund der öffentlichen Stimmung oder aus Überzeugung, bereits vorauseilend aus Russland zurückgezogen oder ihre Geschäfte vorübergehend auf Eis gelegt. Trotzdem haben nicht alle deutschen oder europäischen Unternehmen Russland den Rücken gekehrt. Doch der öffentliche Druck auf diese Unternehmen ist groß.

Über die besondere Lage in Russland reden wir in diesem Sonderpodcast mit dem Rechtsanwalt Thomas Brand. Er lebt schon seit über 20 Jahren in Russland und gibt uns einen Einblick in die russische Sichtweise. Es ist natürlich nur eine Momentaufnahme, denn die Lage kann sich ständig ändern.

In dieser Sondersendung geht es darum, was dafür oder auch dagegen sprechen könnte, aktuell in Russland Geschäfte fortzuführen oder neu zu beginnen. 

Die Folge ist auch auf allen gängigen Podcast Plattformen zu finden:

Apple Podcast, Spotify, YouTube, Amazon Music

Wie treffen die Sanktionen den russischen Normalbürger? Wie ist die Stimmung vor Ort?

Im Restaurant und den Lebensmittelläden sind die Preise im Moment noch relativ unverändert. Aber in den Shopping-Malls sind schon über 70% der Läden mit bekannten ausländischen Brands geschlossen. Dazu gehören unter anderem Hugo Boss, Hermès, Adidas, Puma und Nike. Das heißt, die Menschen vor Ort geben richtig viel Geld aus und kaufen schnell noch das, was da ist. 

Wenn es um Autos geht, machen sich die Sanktionen jetzt schon sehr bemerkbar. Viele Autobesitzer versuchen noch irgendwie schnell an Ersatzteile zu kommen, da es ja ein Export-/ Importstopp für Autos und Ersatzteile geben soll. 

Viele Russen haben natürlich Angst um ihren Arbeitsplatz, da viele ausländische Unternehmen ihre Geschäfte einfrieren.

Ansonsten ist die Stimmung noch relativ ruhig. Das mag daran liegen, dass das russische Volk recht krisenerprobt ist und nicht so schnell in Panik verfallen.

Welche Branchen sind in Russland vertreten?

Die Wirtschaft Russlands basiert vor allem auf dem Handel- und Dienstleistungssektor

Andere wichtige Branchen sind die IT-Branche und Maschinenbau. Daher besteht ein großes Interesse an westlicher Technologie und Know-how.

Auch der Absatz von pharmazeutischen Produkten ist seit 2016 stark gestiegen, da viele Russen großen Wert auf ihre Gesundheit legen. Es wundert nicht, dass so auch die Pharmaindustrie ein vielversprechender Sektor in Russland ist und deutsche Investoren und Unternehmen angezogen hat. 

Russland, mit seinen fast 145 Millionen Einwohnern, bietet auch den größten Markt  für landwirtschaftliche Produkte in Europa. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten steigt, sodass auch die Landwirtschaftsbranche ein interessanter Markt für ausländische Investoren ist.

Welchen Status haben deutsche Produkte in Russland?

“Made in Germany” ist auch in Russland der absolute Renner. Das Vertrauen in die Qualität deutscher Produkte ist sehr groß, denn sie gelten als robust, langlebig und praktisch “unkaputtbar”.

Zu den bevorzugten deutschen Gütern zählen Autos, Autoteile, Maschinen, chemische Produkte und Elektrotechnik.

Auch wenn die deutschen Produkte sehr viel teurer sind, als die chinesischen, setzen doch viele Unternehmen lieber auf die deutschen Produkte. Das liegt auch daran, dass der Service und die Ersatzteilversorgung bei deutschen Produkten ausgezeichnet ist.

Wie sind die Steuern in Russland?

War es steuerlich bisher eigentlich attraktiv, ein Unternehmen in Russland zu haben?

Der russische Gewinnsteuer (ähnlich der deutschen Körperschaftsteuer) beträgt 20%. 

Ausländische Unternehmen können aber auch von den sogenannten Sonderwirtschaftszonen profitieren. Das sind 15 ausgewählten Regionen, in denen regionale Investitionsprojekte realisiert werden können. 

Nach Realisierung eines Investitionsprojekts beträgt der Steuersatz des föderativen Anteils statt 20 % für 10 Jahre 0 %

Anfang 2021 wurden auch eine Reihe von Steuervergünstigungen für IT-Unternehmen eingeführt, um die IT-Branche für Investoren und Start-Ups interessanter zu machen. So wurde die Gewinnsteuer von 20 % auf 3% gesenkt und auch bei den Sozialabgaben gibt es deutliche Vergünstigungen.

Welche Steuern zahlt man als Privatperson in Russland?

Die Vermögensteuer in Russland wird regional erhoben, liegt aber maximal bei 2,2 %. Der allgemeine Steuersatz auf Einkommen für Steuerausländer liegt bei 30 %. Bei hoch qualifizierten Spezialisten liegt diese jedoch nur zwischen 13 und 15 %, je nach Einkommen. Personen mit Wohnsitz in Russland zahlen auch 13 % Einkommensteuer oder 15 % ab gewissen Summen.

Es ist nicht einfach, den russischen Markt so schnell zu verlassen

In Russland werden im Moment mehrere Gesetzesentwürfe diskutiert, die ausländischen Firmen den Rückzug erschweren sollen.

Eines dieser Gesetze soll verhindern, dass ausländischen Unternehmen und deren Tochtergesellschaften grundlos beziehungsweise aus politischen Gründen ihre Tätigkeit einstellen. Sollten sich die Unternehmen dennoch zurückziehen, könnten Sie unter Fremdverwaltung gestellt werden oder enteignet werden. Die Fremdverwaltung kann zunächst für drei Monate eingeführt werden und um weitere drei Monate verlängert werden.

Das soll aber nur für Unternehmen gelten, die mehr als 100 Mitarbeiter oder einer Milliarde Umsatz haben.

Der Rückzug aus Russland ist auch nicht mit dem Abschließen der Geschäftsstelle erledigt. Es folgt ein monatelanger, komplizierter Prozess.

Was spricht dafür, doch weiter Geschäfte in Russland zu machen?

Laut der Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) waren vor dem Krieg gegen die Ukraine ungefähr 3.650 deutsche Firmen in Russland aktiv und das hat(te) gute Gründe.

Schon allein durch die geografische Nähe Russlands zu Europa, ist es ein interessantes Land für Unternehmer und Investoren. 

Wenn Sie eine Produktionsstätte in Russland haben oder eröffnen möchten, profitieren Sie auch von der dem Konsumverhalten und der hohen Kaufkraft der russischen Bevölkerung. Denn nur im europäischen Teil Russlands leben über 100 Millionen Menschen und 15 Millionen davon im Ballungszentrum Moskau.

Durch den Verfall des Rubels sinken auch die Kosten für Investitionsprojekte in Euro, die Bau- und Lohnkosten. Außerdem bietet Russland seit einigen Jahren eine sehr gute Infrastruktur.

Außerdem können Sie von den Steuervergünstigungen auf regionalen Investitionsprojekte oder in der IT-Branche profitieren.

Einige Unternehmen wägen auch ab, einerseits den Sanktionen und Entscheidungen anderer Unternehmen zu folgen - und gleichzeitig Ihre Verantwortung ihren Arbeitnehmern, Kunden und Geschäftspartnern gegenüber. Besonders Unternehmen, welche zum Beispiel Nahrungsmittel und Kleidung produzieren oder in irgendeiner Form in diesen Branchen zuliefern, sind so zum Schluss gekommen, das Land nicht zu veranlassen. 

Was spricht dagegen?

Im Moment ist die Lage sehr angespannt und der öffentliche Druck ist groß. Wie im Podcast schon berichtet, muss man Eines immer bedenken. Die Realität vor Ort unterscheidet sich oft von dem, was einzelne Medien berichten. 

Ob es sich letztendlich lohnt in Krisenzeiten in Russland zu bleiben oder dort ein Geschäft aufzubauen, kommt sicher auf die individuellen Gegebenheiten an. Um die gegenwärtige Lage besser abschätzen zu können, lohnt sich sicher auch eine individuelle Beratung. 

Einiges gilt aber grundsätzlich - unabhängig von der aktuellen Krise. Wenn Sie in Betracht ziehen, in Russland Geschäfte zu machen, ist die erste Voraussetzung das Beherrschen der russischen Sprache. Das kann für den einen oder anderen ein Hindernis sein.

Zudem ist es in Russland eher schwierig, qualifiziertes Fachpersonal zu finden. Das liegt unter anderem an dem praxisfernen russischen Ausbildungssystem. Das bedeutet, dass viele Unternehmen ihre russischen Mitarbeiter zuerst schulen müssen.

Auch die russische Mentalität kann bei der Zusammenarbeit mit russischen Geschäftspartnern und Mitarbeitern für Deutsche oder Europäer eine Herausforderung sein. Wo der russische Geschäftspartner auf kurzfristigen Gewinne bei minimalem Einsatz aus ist, ist der Deutsche eher an Planung, Organisation und langfristigen Gewinnen interessiert. Das Positive an der russischen Mentalität ist allerdings: Die haut so schnell nichts um!

Abschließend kann man sagen, ein Unternehmen in Russland zu gründen und zu führen ist kein “Russisch Roulette”. Wichtig ist vor allem, dass sie die rechtlichen und kulturellen Besonderheiten beachten und die Sprache beherrschen.

Kontaktdaten und Links:

Thomas Brand

Homepage: www.bbpartners.ru/

E-Mail:        thomas.brand@bbpartners.de

Telefon:       +7 (495) 662 33 65

Sebastian Sauerborn

Homepage: www.wohnsitzausland.com

                     www.auslandsunternehmen.com

E-Mail:        hello@stmcorporate.group

Telefon:       +44 20 3151 0582

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Timestamps

00:00:18  -  Begrüßung und Vorstellung Thomas Brand

00:04:26  -  Unternehmen in Russland: Wie ist die Stimmung?

00:05:16  -  Welche Branchen sind in Russland vertreten?

00:08:45  -  Haben die europäischen Unternehmen das kommen sehen, oder hat es sie kalt erwischt?

00:09:48  -  Wie treffen die Sanktionen den russischen Normalbürger?

00:14:17  -  Wie wirken sich die Sanktionen gegen Russland auf Deutschland und Europa aus?

00:18:28  -  Die russische Sichtweise und Hintergründe zu der aktuellen Lage

00:18:28  -  Wie sehr hängen die deutschen Unternehmen an Russland?

00:24:29  -  Wie kann man das verstehen- warum setzt Russland die positiven Entwicklungen der letzten Jahrzehnte aufs Spiel?

00:29:03  -  Die Wertvorstellungen, Denkweise und Ansichten des russischen Volkes

00:34:35  -  Haltung Europas gegenüber Russland: Welchen Einfluss hat der Umgang der EU auf das russische Handeln?

00:36:53  -  Würden Sie jetzt jemandem eher abraten oder empfehlen nach Russland zu gehen und ein Unternehmen zu gründen?

00:40:00  -  Welchen Status haben deutsche Produkte in Russland?

00:41:45  -  Steuern & Krypto in Russland

00:43:42  -  Lohnkosten in Russland

00:45:06  -  Gibt es auch ausländische Unternehmen, die in Russland in der Landwirtschaftsbranche tätig sind?

00:49:36  -  Essen in Russland, Anreise, Verabschiedung

Mitschrift zum Podcast Perspektive Ausland EP 31: Pro & Contra: Weiter in Russland Geschäfte machen

Ein Gespräch mit Thomas Brand

Perspektive Ausland – Der Podcast für Unternehmer und Freiberufler die es ins Ausland zieht, egal ob Steuerplanung, Auslandsfirmen-Gründung oder Lifestyle Fragen. Hier geht es jede Woche zur Sache und hier sind deine Gastgeber Daniel Taborek und Sebastian Sauerborn.

00:00:18 - Begrüßung und Vorstellung Thomas Brand

Thomas: Also ich hab meine Karriere auch bei einer Großkanzlei begonnen, bei Clifford Chance, in 99 und bin dann für die nach Moskau gegangen als junger nicht Paralegal, aber Associate und war dann bis 2004 bei Clifford. Dann bin ich gewechselt zu Rödl & Partner. Das war auch für mich sehr gut, weil ich da im Prinzip von Anfang an Managing Partner war für Russland. Da war eine ganz kleine Einheit, wir waren zu fünft oder sechst, 2 Anwälte. Und dann habe ich das in 5 Jahren mit einem anderen Kollegen, Wirtschaftsprüfer Andre Scholz bis auf 200 Leute gebracht und knapp 30 Anwälte. Also das war eigentlich eine top Erfolgsgeschichte, für die noch im Büro in Kasachstan aufgemacht, in Weißrussland und in Sankt Petersburg. So und dann war aber irgendwann so ein bisschen der Spaß vorbei, weil das ist schon letztendlich ein Familienunternehmen, beherrscht von den Wirtschaftsprüfern und dann habe ich mich 2009 selbstständig gemacht und die Kanzlei Brandt & Partner gegründet und uns gibt es seit knapp 13 Jahren. Wir haben noch eine Buchhaltungsfirma, die KBK Accounting, da machen wir also das komplette Outsourcing für die Mandanten. Das ist eine Full Service Kanzlei, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Immobilienrecht, General Commercial litigation und Arbeitsrecht, so ganz kurz zusammengefaßt. Wir beraten im Prinzip zu hundert Prozent ausländischen Mandanten und ganz selten mal irgendeinen Russen, der irgendwas im Ausland braucht oder auch lokal Beratung und das sind die Ausnahmefälle. Ich bin zwar deutscher Anwalt, gebürtiger Kölner, hab in Bonn studiert, aber praktiziere schon seit 20 Jahren, kann noch deutsches Recht und wenn irgendeine Frage zum deutschen Recht kommt, dann geht das an Kollegen in Deutschland, die sich wie sich da besser auskennen. Ach so und wir sind als Kanzlei hier unabhängig. In Moskau sind wir 2 Partner, Valeria Khmelevskaya und ich. Valeria ist Juristin und Steuerberaterin. Sie ist auch stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, ist auch im Steuer Komitee. Ich war auch im Vorstand einige Jahre und viele Jahre habe ich das Rechtskomitee geleitet und bin glaube ich seit 14 Jahren immer Stellvertreter. Also außer den 4 Jahren Vorsitzender, mehr kann man nicht sein laut Satzung. Also wir sind ganz gut verdrahtet, eine Lösungs-Community auch international also wir sind Mitgliedskanzlei von CBBL Lawyers, kennen sie vielleicht, also das größte deutschsprachige Kanzlei Netzwerk weltweit!

Sebastian: Ja, das kenn ich ja.

Thomas: Und ich glaube, das stimmt sogar, es ist nicht nur PR, es ist auch wirklich ein tolles Netzwerk. Wir sind aber auch sonst in anderen Netzwerken, also keine Exklusivität, relativ gut verdrahtet für internationale Geschichten. Und alle meine Kollegen hier, die Anwälte sprechen Deutsch und Englisch, kommen alle aus internationalen Kanzleien oder sind schon lange bei bei mir und verstehen das internationale Geschäft und auch die sozusagen ethischen berufsrechtlichen Standards und auch die kulturellen Besonderheiten. Deswegen, glaube ich, haben wir eine ganz gute Nische besetzt bisher. Jetzt ist natürlich eine schwierige Station. Ich weiß nicht, ob sie auf lawyer.com gelesen haben, wie viel internationale Kanzleien sich hier zurückziehen. Aber eigentlich sind wir schon so ganz gut positioniert und bekannt und hier mit unseren 10-12 Anwälten plus die ganzen Steuerberater und Buchhalter, also insgesamt knapp 30 Leute. Sind wir jetzt auch nicht ganz "piselig" winzig, aber auch nicht riesig groß und ja, ein Großteil unserer Mandaten ist mittelständisch, aus den verschiedensten Industriebereichen, aber auch Großkonzerne auch börsennotierte Unternehmen. Jetzt haben wir in den letzten 2 Wochen viele Anfragen auch von neuen Mandaten, Interessanterweise, zu den Sanktionen zu Personalmaßnahmen, aber auch laufendes Geschäft natürlich.

00:04:26 - Unternehmen in Russland: Wie ist die Stimmung?

Sebastian: Ich stelle mir vor, dass bei ihnen ja gerade momentan die Telefone heiß laufen müssen, also, das sie ja auch bestehende Mandanten dann sicherlich fragen, was sollen wir jetzt machen? Was passiert mit unseren Assets, was passiert mit unserem Unternehmen, sollen wir schließen, sollen wir weiter machen? Also ich ich kann mir ja vorstellen, dass es jetzt momentan für sie relativ hektisch ist. Ist es so?

Thomas: Es geht, also ich hab schon viel telefoniert und gestern am ersten Tag im Büro auch relativ hektisch aber es ist erstaunlicherweise jetzt keine Panik da. Also auch bei den Mandanten, die jetzt hier sind. Gerade die Mittelständler die lesen natürlich auch alle Zeitungen, aber die sehen auch, wie ist die Realität hier. Das sind schon unterschiedliche Bilder, die da entstehen, also das was man sieht und praktisch hier vor Ort hat und erfährt und das was man in der Zeitung liest. Ich glaube das ist eine wichtige Differenzierung.

00:05:16 - Welche Branchen sind in Russland vertreten?

Sebastian: Was sind denn, wenn ich fragen darf, um Beispiel mal so so typische Mandanten, die sie jetzt haben und welche Branchen sind, die jetzt dann zum Beispiel tätig dort in Russland? Was sind das so für Unternehmen?

Daniel: Übrigens wenn du keinen unserer interessanten Podcast mehr verpassen willst, dann klicke jetzt gleich auf Abo und Besuch uns doch mal auf unserer Webseite www.perspektiveausland.com da gibt es übrigens auch alle Podcasts als Video zum Ansehen und du kannst uns dort deine Fragen, Kommentare oder Vorschläge für neue Sendungen hinterlassen.

Thomas: Ganz, ganz unterschiedlich, also ich hab gestern mit einem Mandanten zusammengesessen. Das ist ein Chemie Spezial Logistiker. Und die Informationen über die Sanktionen die liest der auch selber. Also ich sehe mich jetzt auch nicht so als der Sanktionen Informationskanal! Da berichten andere, auch die AHK, also es geht hier schon um Rechtsberatung. Und dann auch im B2C Bereich kam vorgestern hier Nachricht raus, also EU Sanktionen erweitert, beziehen sich auch auf so High-Tech und ich war eben mit dem Mandanten Mittagessen und interessanterweise sagt die Zentrale in Deutschland ja wir liefern jetzt nicht mehr wegen der Sanktionen. Aber wenn man diese Sanktion mal genauer liest, also die Zollnomenklatur Nummern für die Produkte, da fallen, deren Produkte gar nicht drunter. Aber die sagen trotzdem "Stopp", beziehungsweise die haben auch schon vor dieser Erweiterung der Sanktionen "Stopp" gesagt. Rein aus Gründen der öffentlichen Meinung. Viele Mandanten im Maschinenbau, in der Landwirtschaft. Die hatten super Ergebnisse im letzten Jahr. Die sind auch relativ ruhig, also die Sanktionen betreffen die nicht. Und ja, die haben, so wird's schon ein bisschen unruhig und dann gibt es ja devisenrechtliche Regelungen, die jetzt auch alle treffen, uns auch: Zwangskonvertierung der Euro Beträge, die nach Russland kommen, aller Beträge, die seit 1. Januar hier ankommen. Aber das ist eigentlich auch nicht so schlimm. Haben wir halt die Euro, die wir hatten, seit Anfangs Jahr umgetauscht in Rubel. Wir müssen sowieso Gehälter in Rubel zahlen und Strom und Internet und davon geht die Welt jetzt auch nicht unter. Ansonsten können wir Rechnungen stellen ins Ausland auch Geld bekommen die meisten Banken sind eben nicht vom Swift ausgeschlossen. Das sind nur 7 oder 8 Banken. Und dummerweise habe ich einen oder sogar 2 Mandanten, der sagte er könnte jetzt nicht mehr zahlen. Und doch können Sie. Der eine hat es dann geschafft. Der andere seine Bank, die führen die Zahlungen trotzdem nicht aus. Ja, also schon interessant, Verstoß gegen wahrscheinlich den Bankvertrag, einfach Willkürlichkeit, Zahlungen leisten. So Mandanten, ja Automobilzulieferer, da siehts schon ein bisschen schwieriger aus. Einer unserer Mandanten, die waren eigentlich sehr gut im Geschäft, also Automobilindustrie ist jetzt relativ tot und da gibt es wohl auch intern Diskussionen, sagen ja hier zu machen oder so ja. Es gibt ja auch relativ viele, sag ich jetzt einfach mal so "Hitzköpfe" in den Zentralen. Die so im Voraus einen Gehorsam, dann alles dicht machen wollen, obwohl es überhaupt gar keinen Grund gibt. Und der Großteil der Mandanten - Unternehmen sind aber viel rationaler und das schätze ich sehr. Ich guck mir ab, ohne auf Moral und Politik zu gucken, wie es der Markt, kann man Geschäfte machen? Die haben auch Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern hier, gegenüber den Menschen. Und die meisten sehen das eigentlich ziemlich rational, aber nicht alle.

00:08:45 - Haben die europäischen Unternehmen das kommen sehen, oder hat es sie kalt erwischt?

Daniel: Was mich mal interessieren würde, sie sitzen, ja dort im Prinzip im Brennpunkt jetzt sozusagen und auch die deutschen Unternehmen oder die EU Unternehmen: Hat sie das wirklich kalt erwischt, oder hat man das irgendwie kommen sehen und haben sich da einige schon vorher vorbereitet?

Thomas: Nein, Ich glaube, das hat alle kalt erwischt. Wobei kalt erwischt, was ja uns hier auszeichnet, auch die Russen und die Mentalität, sind alle sehr Krisenerprobt. Also die Russen jetzt auch in dieser Situation, die verfallen nicht in Panik. Also seit ich hier bin, seit 1999, als immer noch die Achtundneunziger, neunundneunziger Rubel Krise stattfand. Wir haben eigentlich alle 5 Jahre hier irgendeine irgendeinen Hammer und wenn es hier bergab geht, dann sitzen wir zu Hause, trinken Tee und fliegen nicht mehr an die Côte d'Azur und das Leben geht auch weiter. Also die haben eine viel größere Ruhe und psychische Stabilität würde ich sagen, als die Deutschen, die schon irgendwie in Ohnmacht fallen, wenn es kein Klopapier mehr gibt.

00:09:48 - Wie treffen die Sanktionen den russischen Normalbürger?

Sebastian: Wie muss man das sich jetzt vor Ort vorstellen? Jetzt so diese westlichen Sanktionen, wie treffen die dem Normalbürger oder treffen die den überhaupt nicht? Ich meine gut, ich kann mir vorstellen, vielleicht kriegen Sie keine US Dollar mehr aus dem Geldautomat, aber wie hat sich das ausgewirkt, auf den Normalbürger in Russland, diese Sanktionen?

Thomas: Also Ich war in den letzten 4 Wochen in der Toskana, in meinem Haus und bin seit erst seit Donnerstagnacht wieder hier und hab mich jetzt im letzten wieviel Stunden sind es, 48 Stunden, eigentlich nur zwischen Kanzlei, Zuhause und Supermarkt bewegt und im im Restaurant war ich hier. Ich wohne direkt im Zentrum, fußläufig von der Kanzlei, 15 Minuten vom roten Platz entfernt. Und hier ist eigentlich alles sehr ruhig, die Sonne scheint. Im Supermarkt war ich ganz erstaunt, die Preise waren fast unverändert. Es war alles da. Im Restaurant waren die Preise auch bisher unverändert oder unmerklich verändert. Also scheint hier erstmal alles relativ normal. Auch bei der Einreise alles normal. Und ich hab aber heut zum Beispiel, war meine Vermieterin da, ich muss der die Miete zahlen, die kriegt die eben in bar. Und die sagte ja, jetzt hat sie mit ihrem Auto ein Problem gehabt und es gibt ja jetzt Importverbot oder Exportverbot auch auf Fahrzeuge, Ersatzteile. Und ich sagte ja, Sie war jetzt in der Werkstatt, da schlagen sich wohl die Leute die Köpfe ein. Wahnsinnige Schlangen, weil jetzt alle noch irgendwelche Teile und so haben wollen. Also ich glaube schon, dass ich die die Sanktionen ausdrücken. Ich war jetzt noch nicht in ner großen Shopping Mall, aber was ich gehört auch von Bekannten, da geben die Leute schon richtig Geld aus und kaufen noch das, was noch da ist. Und ja, hier Leica Kameras, die so ein Flagship-Store in GUM haben, die machen am Montag zu. Der Kollege sagte mir, da sind schon 70% der Läden, also all die Luxury Brands, die haben alle zu. geben. Der Rubel hat unheimlich an Wert verloren. Was aber ja inner-russisch, wenn man nur auf Rubel Basis kauft, ja eigentlich egal ist. Da spielt die Inflation eine Rolle und die Preissteigerungen und die wird so oder so kommen, also wird zu einer Art Verarmung führen, einer zeitweiligen, ich glaube, das ist ganz logisch. Was sonst noch passieren wird? Mal schauen. Viele haben auch Angst um ihren Arbeitsplatz. Die meisten ausländischen Unternehmen, die im Moment ihr Geschäft einfrieren, machen das zeitweilig und unter Fortzahlung der Bezüge, weil das anders zu machen ist durchaus, sag ich mal, auch nicht ohne. Weil es Positionen gibt, der russischen Regierung der Behörden quasi grundlose Einstellungen von Aktivitäten als vorsätzlichem Bankrott zu sehen. Dann gibt es noch den Gesetzesentwurf im Moment, der ist allerdings noch in der öffentlichen Diskussion. Dann eben die ausländischen Unternehmen und deren Tochtergesellschaften hier unter Fremdverwaltung stellen zu können und enteignen zu können, wenn die nichts machen. Da ist aber erstmal die gute Nachricht: Das gilt nur für Unternehmen ab 100 Mitarbeitern oder einer Milliarde Umsatz. Ja, das heißt den Großteil der kleineren ausländischen Vertriebsgesellschaften trifft das gar nicht, Größere dann schon. Also, wenn sie eine Produktion haben oder so und dann einfach sagen, wir machen jetzt nichts mehr und die Diskussion hatte ich mit einem großen Fensterprofil-Hersteller, der unser Mandant ist und die 600 Leute haben in der Produktion. Wo die Eigentümer Familie gesagt hat, so aber ja jetzt Pause und eigentlich verkaufen die im Moment noch sehr gut und wenn die ihre Rohstoffe PVC weiterhin bekommen, haben die eigentlich keinen Grund aufzuhören. Unser Spezial Logistiker, der ist gerade auf Chemie spezialisiert und auf PVC und der sagte ja, wenn die Grundversorgung aus Deutschland und Europa nicht mehr steht, dann gibts schon immer Wege auch über China, an Material zu kommen. Und die haben jetzt entschieden, erstmal nichts zu machen, ist auch richtig aus rechtlicher Sicht und sich aber sozusagen vorzubereiten, wenn tatsächlich die Lieferwege und die Versorgung gekappt wird, dass sie dann in Betriebsferien gehen oder Arbeitszeitverkürzung machen, so wie VW das zum Beispiel macht hier. Die haben ihre Werke mit über 6000 Mitarbeitern in die Betriebsferien geschickt, aber eben nicht grundlos, sondern weil jetzt die, zumindest wird es so gesagt, die Versorgung mit Teilen unterbrochen ist, also gerade so wegen der logistischen Wege. Auch teilweise wirkt es sich auf die deutschen Produktionsstandorte teilweise aus, die sind ja auch geschlossen, glaube ich in Leipzig und Dresden, hier die Zulieferteile aus der Ukraine, irgendwelche Kabelstränge, oder so.

00:14:17 - Wie wirken sich die Sanktionen gegen Russland auf Deutschland und Europa aus?

Daniel: Aber das ist natürlich jetzt eine interessante Sache, die sie gerade ansprechen, weil da wird ja momentan auch in Deutschland und wahrscheinlich also das ist da wo ich das verfolge und ansonsten europaweit immer diskutiert: Wen treffen die Sanktionen letztendlich härter, Russland oder die Europäer selber? Und Putin hat ja da in seiner letzten Ansprache schon mal seine Meinung zumindest zu dem Thema gesagt. Er hat ja gesagt, der ganze Planet wird letztendlich darunter leiden, unter dem, was da gerade passiert, aber ich weiß nicht wie sehen Sie das jetzt? Sie haben jetzt mit einigen deutschen Unternehmen gesprochen und davon sind ja einige, welche die wie sie gerade gesagt haben, dort auch Zulieferer, zum Beispiel Industrie, selber herstellen und letztendlich sind wir alle vernetzt, das heißt fast jedes Unternehmen wird irgendwelche Teile aus dem Ausland beziehen meistens auch aus Europa, dann wird vielleicht weiterverarbeitet, wird wiederum auch bestimmte Dinge produzieren dort und vielleicht nach Europa verkaufen. Sie haben jetzt gesagt also es gibt schon einige Dinge zu spüren in Russland. Aber wie sehen Sie das? Sie haben da vielleicht doch einen besseren Überblick, mit Sicherheit einen besseren als ich jetzt. Wie trifft das aus Ihrer Sicht Europa und Deutschland?

Thomas: Also ich bin ja kein Ökonom, also ist auch nur ich bin Zeitungsleser und aufgeweckter Mitbürger, der auch, weil er aus einer Journalisten Familie kommt, gern und viel Zeitung liest. Also natürlich ist die Wirtschaft vernetzt, aber Russland ist natürlich schon schwerpunktmäßig in Industrien tätig oder im Bereich tätig auch Exporteur, die vielleicht auch für Deutschland nicht so bedeutend sind. Also klar, Öl und Gas, andere Ressourcen Windkraft, Militär, bisschen auch IT und so, aber auch Weizen. Aber was Hochtechnologie angeht, ist jetzt eher ein Einkaufsmarkt und nicht Verkaufsmarkt, aber dass da Interdependenzen da sind, ist ja ganz klar. Und alleine in Deutschland hängen ja auch irgendwie mehr wie hunderttausend Arbeitsplätze letztendlich an Russland. Also für mich ist es ganz klar, dass das für niemanden gut ist, was passiert und die Sanktionen und deswegen muss es ja auch möglichst schnell Frieden geben und dann ist die Frage wie lange bleiben die Sanktionen aufrechterhalten? Also ist es sozusagen wie eine Gefängnisstrafe, auf Angriffskrieg stehen 10 Jahre Sanktionen, oder werden die Sanktionen zurückgedreht, wenn es einen Friedensvertrag gibt zwischen der Ukraine und Russland? Weiß keiner, ne. Mit dem Iran geht das ja schon ziemlich lange so, oder auf hohem Niveau und dann mal wieder ein bisschen weniger hohem Niveau so und ich glaube, das ist nicht gut für Europa und vielleicht sogar schlechter für Europa als für Russland. Weil klar, also der westliche Block das sind keine Ahnung 1,5 Milliarden Leute, da sind allein China und Indien mehr, abgesehen von dem arabischen Raum, Afrika, Südamerika. Und das wird auch in der in der russischen Presse, gerade im ersten Kanal im Fernsehen, das guck ich auch manchmal, teilweise ganz interessant, teilweise auch schon ziemlich krass, was da für Talk Shows laufen also auch so, dass ich dann abschalte. Die sagen, also der Westen die paar Mannequins, wir haben viele Freunde noch, international also nicht nur Nordkorea und Venezuela. Also für mich ist Russland ein europäisches Land, europäische Kultur. Und die meisten, 70% der Einwohner, der Russen leben ja auch vor dem Ural, die wenigsten im asiatischen Teil, aber der Großteil der Fläche ist in Asien und das vielleicht weder europäisch noch asiatisch war. Ich sag jetzt für mich ist es ziemlich europäisch, aber deswegen, also mein ukrainischer Kollege der in Kiew gesessen hat, mit dem hab ich eben noch geschrieben, der wünscht sich natürlich, dass Russland verreckt und zum nächsten Nordkorea wird. Es ist sehr emotional, das kann ich auch verstehen. Er ist mit seiner Familie in die West Ukraine geflüchtet und so seine Kanzlei ist dicht, der organisiert im Moment Hilfstransporte und so. Dass der echt sauer und verbittert ist, ist logisch. Aber ich hoffe es erstens nicht, weil ich glaube das ist schlecht für Gesamteuropa. Ist vielleicht für die Amerikaner gut, aber für uns nicht.

00:18:28 - Die russische Sichtweise und Hintergründe zu der aktuellen Lage

Daniel: Hierzu versucht Thomas Brandt uns jetzt einmal die russische Sichtweise dieser ganzen Situation sowie die Hintergründe dazu zu beschreiben.

Thomas: Ich habe ihm auch gesagt, das ist natürlich alles *** der Krieg. Und es hätte vermutlich schon einen Weg gegeben, das zu verhindern. Auch wenn mein Blick auf die Dinge ist, das hatten wir auch dabei schon gesagt, der Putin oft genug gesagt: rote Linie, Ukraine, Nato geht überhaupt nicht. Im Westen hat ihn keiner ernst genommen, "Ja ja, lass den mal reden, die werden ja schon nicht die Ukraine überfallen", ohne die Russen richtig zu kennen und das sind halt keine Sonntagsredner, so wie viele im Deutschen Bundestag, die ja immer so viel erzählen aber da merkst du ja, die labern nur, machen aber nichts. So sind die Russen eben nicht. Und deswegen war auch ein bisschen meine Sorge jetzt, wenn die Sanktionen zu sehr mit zu viel und wenn Russland wirklich in der Ecke stehen? Also ich glaube jetzt nicht, dass sie Selbstmörder sind und dann auf den roten Knopf drücken, aber ich hab schon so ein bisschen so ein ungutes Gefühl. Hört doch mal auf damit ne, also nicht nur um die Russen nicht komplett zu demütigen, aber auch wegen der eigenen Sicherheit. Und das hab ich dem Ivo auch gesagt, also wir Deutschen, 2 Weltkriege, Russland zweimal überfallen. Die Russen noch von Napoleon und Schweden überfallen worden. Also wir Deutschen haben nach dem Zweiten Weltkrieg, haben eine zweite Chance bekommen, obwohl wir so unglaubliches Leid über ganz Europa gebracht haben und dass das würde ich den Russen, der der jungen Generation auch wünschen, das jetzt nicht die Russen als Volk, dann auch als Staat für die nächsten hundert Jahre so abgestempelt sind und gebrandmarkt sind und so ne völlige Russen-Phobie herrscht, sondern dass sie auch nur zweite Chance bekommen. OK, bei Adolf war sehr tief einfach der war dann weg, weil er sich im Bunker erschossen hat. Das wird Putin nicht machen und das ist die Frage. Ich glaube das sollte kommen, wird auch irgendwie kommen, hoffe ich, wobei er auch schon die letzten Jahre nein nicht nur nach der Krim Geschichte und dem Umsturz in der Ukraine war ja schon so eine gewisse auch Abneigung, die war davor auch da. Also das habe ich immer, auch die ganzen Jahre davor, war mir das extrem unangenehm, wenn ich zum Beispiel nach Deutschland einreise aus Russland, irgendeiner Passkontrolle und dann da meine russischen Kollegen oder Geschäftsleute von den deutschen Grenzbeamten so wie der letzte Dreck behandelt werden, so ja: wo ist ihr Rückflugticket, haben Sie Geld? Wer sind sie? Das waren gestandene Geschäftsleute, reiche Leute, Kulturschaffenden, was auch immer. Das ist so eine, also bei vielen einfach so, also nicht bei allen, aber so ein Bild, doch so eine gewisse, also ein Ur-Misstrauen und Abneigung gegen das Russische und das das tut mir wirklich in der Seele weh, weil ich bin hier sehr willkommen, ich fühle mich hier sehr wohl. Die Russen, also ich spreche natürlich auch die Sprache, ich komm mit den Russen extrem gut aus. Die haben nen super Humor. Ich fühle mich hier einfach wohl und werd auch überhaupt nicht schlecht behandelt, im Gegenteil. Und ich habe jetzt so ein bisschen das Gefühl, das ist natürlich sehr subjektiv, so nach dem Motto die wenigen Familien Ausländer werden jetzt noch noch besser behandelt. Also sind ja auch Viele weg.

00:18:28 - Wie sehr hängen die deutschen Unternehmen an Russland?

Daniel: Ich war ja selber ein paar Jahre im Iran. Da ist mir aufgefallen, dass unwahrscheinlich viele deutsche Unternehmer, die im Iran tätig sind und dort sind ja die Sanktionen auch heftig, gerade jetzt, in den letzten Jahren nochmal heftig angezogen wurden und trotzdem die deutschen Unternehmer, die dort geblieben sind, die hängen wirklich mit ihrem Herzen an dem Land, an den Menschen dort, an den Möglichkeiten Geschäfte zu machen. Wie ist denn das in Russland? Also, die deutschen oder europäischen Unternehmer, bleiben wir jetzt gleich mal im deutschsprachigen Bereich. Wie empfinden die jetzt dort so, wie sehr hängen die dort an dem Land?

Thomas: Ich glaub schon, dass sie auch an ihrem anderen Aktivitäten hängen, weil alles in allem haben die meisten doch sehr gute Erfahrungen hier. Sowohl mit dem Markt und der Rechtsordnung mit den Mitarbeitern. Klar, gibt es auch immer mal negative Stories, aber das Groß meiner Mandanten, die machen hier super Geschäfte. Der Rechtsrahmen hat sich absolut gut entwickelt und deswegen haben sich viele hier auch wirklich sichtlich wohlgefühlt, gut gearbeitet. Und jetzt abgesehen auch von dem Ganzen, ich glaube da ist so ein bisschen Hoffnungsschimmer für die deutsch-russischen Beziehungen. Die sind, ja nicht nur wirtschaftlich, sondern die sind auch kulturell und vor allen Dingen zwischenmenschlichen. Es gibt die Deutsch-Russen, die jetzt viel in Deutschland sind, aber auch wieder viele zurückgekehrt sind. Es gibt unheimlich viele zwischenstaatliche Ehen und deswegen, die Brücken werden nie komplett abbrechen. Ich sehe mich jetzt auch wieder, weiter habe ich immer schon auch als Brückenbauer, haben einen Rückschritt gemacht und versuche nach vorn zu blicken. Wie gesagt also, das ist jetzt alles noch ganz frisch und wie sich die Lage entwickelt, auch unsere Kanzlei schwer zu sagen. Also, wir haben eigentlich die letzten anderthalb Monate genug zu tun gehabt und wie es jetzt wird, weiss ich nicht. Ob wir vom Rückzug der internationalen Kanzleien profitieren, glaub ich eher nicht, weil die doch eine andere Mandanten Struktur hatten, also viele auch russische Staatsunternehmen, Großkonzerne bei ihrem internationalen Geschäft beraten haben, weniger Mittelstand. Und wir wären ja keine Kandidaten für russische Großkonzerne. Und aber mal sehen, also Ruhe bewahren und abwarten und mehr kann man auch gar nicht machen. Also wir sind sowieso relativ aktiv, was Veranstaltungen, Vorträgen und Newslets´s angeht. Und jetzt so einen Sanktions-Ticker aufzulegen und alle, die einem lesen, das bringt glaub ich auch nichts. Also ich glaube, wir sind weiterhin so fleißig, wie wir bisher waren oder vielleicht machen wir auch so ein bisschen mehr und wir machen ja auch themenspezifisch jetzt ein paar Sachen wenn Märkte in Bewegung sind, also distressed Assets. Es wird ja auch dann doch viel verkauft Auch in Deutschland war ja der M&A-Markt im letzten Jahr oder (20)19 (20)20 ist ja gewachsen, also wenn Krise sind, ist auch immer eine günstige Bewegung drin, müssen wir abwarten.

00:24:29 - Wie kann man das verstehen- warum setzt Russland die positiven Entwicklungen der letzten Jahrzehnte aufs Spiel?

Sebastian: Sie hatten das jetzt auch schon in ihren Darstellungen, sind sie auch schon zum Teil darauf eingegangen. Wenn man jetzt, sagen wir mal, Russland von außen betrachten, dann über die letzten 20 bis 30 Jahre und und ich hab selbst relativ viel zu tun gehabt. Ich hatte relativ viele Freelancer im Software Entwicklungsbereich, eigentlich aus Russland auch aus anderen osteuropäischen Ländern wie die Ukraine und Weißrussland schon seit letztem Jahr 2000. Ich bin immer noch mit relativ vielen Leuten in Kontakt. Man hat aber doch eigentlich das Gefühl, dass dort das Land sich eigentlich positiv entwickelt, natürlich gabs auch mal Rückschritte. Auch international gab es immer wieder mal Spannung, aber so im Großen und Ganzen hat sich das als positive Volkswirtschaft entwickelt und auch gesellschaftlich ist das ein bedeutender Wirtschaftsstandort gewesen oder ist es immer noch. Die Oligarchen waren überall in Europa präsent, vor allen Dingen auch in Großbritannien und an an der Côte d’Azur und eigentlich ging es allen Recht gut. Was man, glaube ich hier sehr schwer versteht, ist warum eigentlich diese ganze Entwicklung vor 30 Jahren oder 40 Jahren aufs Spiel zu setzen und das eigentlich so mit einem Handstreich zu zerstören, indem man jetzt dort die Ukraine angreift. Was war die / Wo ist da die Rationalität dahinter? Können Sie das erklären?

Thomas: Also ich glaub schon, dass man es erklären kann, wenn man sich die letzten 30 Jahre, also der Sowjetunion, die Rede Putin´s im Bundestag, auch die ganzen Protokolle, Gesprächsprotokolle zwischen Gorbatschow und Genscher und wer alles noch getagt hat, sich ansieht, wo es um die Osterweiterung nicht Osterweiterung ging, die dann doch sich erweitert hat. Russland war lange Jahre schwach, ist aber erstarkt, auch dank Putin, auch dank der Wirtschaft. Und meines Erachtens nach, gibt es auf jeden Fall eine positive Entwicklung. Ich kann mich erinnern, als ich 99 nach Moskau kram, wie es jetzt ist, also Moskau ist eine moderne, weltoffene, pulsierende Stadt, ist eine tolle Stadt. Ich glaube, der Westen hat nicht wirklich gesehen, dass die Hand, die aus dem Osten gereicht wurde, eigentlich nie angenommen wurde von Europa. Die Russen sind da praktisch, standen da vor verschlossenen Türen. Also was jetzt auch der Lawrow, der Außenminister sagt und die Sprecher, das mag vielleicht ein bisschen absurd klingen, aber ich finde es nicht ganz absurd, sondern man kann schon glaub ich darüber reflektieren. Sie haben gesagt ja, wir verhindern jetzt mit dieser Aktion eigentlich, dass es später zum viel schlimmeren Krieg kommt und zwar eine Auseinandersetzung zwischen Russland und der Nato. Wenn die Ukraine in der Nato ist und die Nato wirklich an Russland grenzt, dann da irgendwas passiert an der Grenze und dann der Verteidigungsfall eintritt und dann macht's "bumms, bumms" und fertig ist. Ich glaube, die wollten einfach die Warnungen, die immer wiederholten Aussagen von Putin "rote Linie, das geht gar nicht, Ukraine kann nicht in die Nato", die Reaktion von Stoltenberg und so: "Ja, ist ein souveränes Land, müssen sie selber entscheiden". Ich glaube, das war ein Fehler, die hätten einfach sagen müssen, "Ja okay, wir verstehen, dass es auch russische Sicherheitsinteressen gibt". Machen wir euch zum Finnland oder Schweden oder Österreich und das wäre es gewesen. Ich glaube das ist das Kalkül: Angriff ist die beste Verteidigung. Wir wollen das nicht, wenn die uns überhaupt nicht zuhören und gar nicht bewegen, dann wird jetzt ein Pflock eingeschlagen. Die Russen sind ja schon auch Schachspieler und Strategen, das größte Land der Erde. Weil, viele denken ja, du spinnst ja, aber ich sag, das ist kein Aggressor-Staat. Und wenn man sich die Geschichte anguckt, klar gab es immer auch Kriege und so, aber jetzt im Vergleich mit Amerika ist das glaube ich eine ganz andere Kategorie. Jetzt nicht nur, wenn man den Verteidigungshaushalt sich anschaut und die Anzahl der Militärbasen weltweit, aber auch ganz aktuell, bei wieviel Wahlen haben sich die Russen eingemischt, bei wie vielen die Amerikaner? Wie viel Regierungsumsturz Versuche gab es, oder Umstürze gab es durch die Amerikaner, wie viel durch die Russen? So und ich glaube, die fühlen sich wirklich bedroht vom Westen, von den Amerikanern. Und die sagen ganz klar, die Amerikaner haben langfristig die Strategie, Russland zu zerschlagen, nicht in 10 Jahren nicht 50 aber langfristig. Und so ganz absurd finde ich das nicht, die Vorstellung so und dagegen stemmen sich die Russen. Die wollen nicht fremdbestimmt sein. Das ist ein großes Land. Es ist eine Atommacht, und die wollen nicht fremdbestimmt sein. Sie wollen selbstbestimmt sein. Deswegen haben die jetzt einen Pflock eingeschlagen. Und was sollen wir da sagen, wenn wir jetzt die nächsten 20/30 Jahre zurückgeworfen werden, ist uns egal, uns ist es das wert. Wir haben jetzt unsere Souveränität verteidigt.

00:29:03 - Die Wertvorstellungen, Denkweise und Ansichten des russischen Volkes

Daniel: Herr Brandt gibt uns jetzt noch etwas mehr Einblick in die Wertvorstellungen, Denkweise und Ansichten des russischen Volkes?

Thomas: Ja, die Russen auch viel leidensfähiger, als der Westen. Hier spielt ja das Individuum eine ganz andere Rolle, der Wert des Individuums. Haben wir auch in der Corona Krise gesehen. Ich tu das gar nicht als gut oder schlecht bewerten. Mein Leben ist mir auch wert so und zwar hier sind auch wahnsinnig viele Leute gestorben, ne über Monate diese 800000 Tote und bei relativer Impfabneigung, Misstrauen auch gegenüber diesem staatlichen Impfstoff und auch Masken und so immer so auf Halbmast. Also nicht besonders diszipliniert und die haben im Prinzip diese Opfer hingenommen. Und die Russen, auch aus ihrer Geschichte heraus, die haben einfach eine größere Opferbereitschaft für ihr Land, für sozusagen das Kollektiv. Was bei uns ganz anders im Bewusstsein ist, also immer der Freiheit des Einzelnen, mit der Einzelnen, das Leben und die haben einen ganz anderen Abwägungsprozess und ich glaube, der betrifft auch jetzt die politischen Fragen. Naja, dann muss halt die nächste Generation wieder irgendwie "Borschtsch" essen, kann nicht bei McDonald's essen. Wobei Burger King, der Burger King Franchisenehmer hat jetzt gesagt: " Ne, der macht nicht zu".

Sebastian: Hab ich gehört, ja, die gibt es noch.

Thomas: Und ja, die/ wir denken in ganz anderen Zeit-Kategorien, also politisch auch. Da sind die nächsten 30 Jahre "Wurst". Wenn wir das jetzt machen, dann wissen alle: "Don´t mess with Russia". Wenn ihr uns zu nah kommt, dann knallt es und nicht nur als Rhetorik, sondern als reale Handlungen und das unterscheidet auch glaube ich die Russen von den Europäern, weniger von den Amerikaner. Die Europäer, das ist ja reine Rhetorik, die können da gar nichts machen und deswegen sind sie auch so psychisch auf diese Sanktionen fixiert, weil sie eigentlich hilflos sind. Das ist ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Und die Russen handeln und schlagen Pflöcke ein und deswegen auch diese Aktion. Die natürlich extrem traurig und schlimm ist und ich bin schon eigentlich Pazifist und würde wünschen, dass das möglichst schnell ein Ende findet. Aber das ist so der logische Hintergrund. Das heißt, die nehmen das in Kauf für für quasi ein höheres Ziel, wenn es denn ein höheres Ziel ist, Erhalt der Staatlichkeit, der Souveränität und der Sicherheit des Landes. Also ich glaube nicht, dass das irgendein Käse ist, ja was schnelles für eine Drohung, denn die Nato ist ein Verteidigungsbündnis. Also warum gibt es die Nato überhaupt noch, wenn man das historisch anschaut als Gegengewicht zum Warschauer Pakt. Den Osten gab es gar nicht mehr, kann man viel drüber diskutieren. Ich bin kein Politologe oder so, aber dass die Russen sich bedroht gefühlt haben durch die NATO Osterweiterung, weniger jetzt durch die EU Erweiterung. Na ja, wobei ich mich auch frage warum muss Europa jetzt sagen, ok jetzt Grenzen frei und Georgien auch und so, das ist für mich alles so, das muss man auch noch warten. Aber wie gesagt, ich glaube, das die Russen sich wirklich, vielleicht nicht bedroht direkt fühlen, aber vielleicht bedroht führen, aber auf jeden Fall, dass das deren Sicherheit beeinträchtigt, diese ganze Thematik und das kann ich nachvollziehen. Deswegen kann ich auch den Schritt nachvollziehen wobei ich glaube, man hätte es vielleicht doch auf diplomatischem Wege hin kriegen können oder müssen. Das ist aber schwer zu beurteilen, da ist ja soviel auch hinter den Kulissen gelaufen, was man gar nicht weiß. Aber ich hab das so verstanden, dass das letzte nicht so eine Art Deadlock war, die Ukrainer nicht wollten, die Russen dann auch nicht wollten und dann, als der Selenskyj noch anfing, Atomwaffen bauen. Da haben die Russen gesagt so jetzt reicht's, zack entmilitarisieren. Mit diesem Entnazifizieren das ist natürlich irgendwie, das habe ich gar nicht so ganz verstanden. Das ist jetzt meine und das ist relativ viel im im russischen Fernsehen auch wird darüber gesprochen, auch über diesen Genozid, dass die Russen da in der Ostukraine, und das ist ja auch, wenn man die OECD Berichte liest, schreibt natürlich keiner drüber. Da gab es auch schon viele Angriffe und auch viele, viele tote Zivilisten, durch Angriffe der ukrainischen Armee. Schreibt aber im Westen natürlich keiner darüber. Wie über so viele andere Sachen auch nicht, deswegen freie Presse. Ja, so ist die Lage. Und jetzt wir als Wirtschaftsanwälte, wir hoffen natürlich, dass der russische Markt weiterhin doch Ziel für europäische Unternehmen bleibt. Der flächenmäßig größte Staat, der zahlenmäßig, einwohnermäßig größte Stadt Europas, mit nicht nur Natur-Ressourcen, aber auch Human Resources, also gerade auch im IT-Bereich. Wir haben vorhin gesagt, wir haben auch eine ganze Reihe von Mandaten, die hier Dependenzen haben, die IT-Entwicklung machen, aber auch und hatten wir gerade in den letzten vier/ fünf Monaten auch zwei Beratungsprojekte, die mit ganz vielen Freelancern hier gearbeitet haben und relativ unstrukturiert mit teilweise Risiken und wir haben dann vor der Umstrukturierung ein bisschen beraten, wie die ihre Zusammenarbeit mit diesen Freelancern rechtlich sicher gestalten können. Das ist ein hoch gebildetes Volk, belesen wie fast kein anderes. Und ja, ich glaube, ich werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben, aber ich bin relativ sicher: " The best is here to come", also ich glaube schon an eine große Zukunft Russlands.

00:34:35 - Haltung Europas gegenüber Russland: Welchen Einfluss hat der Umgang der EU auf das russische Handeln?

Daniel: Jetzt kommt Herr Brandt noch einmal auf die Haltung Europas gegenüber Russland zu sprechen und vor allem auf die Frage, welchen Einfluss der Umgang der EU mit Russland auch auf das russische Handeln hat.

Thomas: Und jetzt diese innenpolitisch, die Entwicklung der Zivilgesellschaft, also ich glaube schon, dass es eine Entwicklung gab und wie es in dem Westen dargestellt wird, ist auch ein bisschen einseitig, wobei beim russischen Intellektuellen redet auch mit den sogenannten Oppositionellen ist alles ganz, ganz schlimm. Natürlich haben wir hier nicht so Freiheit wie im Westen. Der innere Kampf, der hat auch ein bisschen mit den äußeren oder den Versuchen äußerer Einflüsse zu tun. Also wenn man sich das NGO Gesetz anschaut, foreign Agents Act, denn es ja in Amerika schon seit den 30er Jahren gibt und als sie dann hier eingeführt wurde haben alle geschrien, boah die Russen. Da habe ich mal ein bisschen, weil ich da auch einen Artikel dazu geschrieben habe, recherchiert und da stieß ich auf diesen foreign Agents Act, der im Prinzip genau dasselbe regelt. Also wieder eben 2 Maßstäbe, wenn die Russen das machen ist es schlimm, wenn die Amis das machen, ist es ja im Namen des Guten. So und ich sage mal der innere Krieg gegen Einflüsse von außen, die versuchen das russische System zu destabilisieren, den gab es und den gibt es, und das kann ich auch nachvollziehen also so wie ich auch das NGO Gesetz nachvollziehen kann, dass sie eben sagen ja, wir wollen keine ausländischen Organisationen, die womöglich noch vom Staat oder von der CIA direkt finanziert werden, um hier irgendwie eine Meinung zu organisieren, die eigentlich gar nicht russisch ist. Da könnten wir ja Abende über Abende privat zusammensitzen. Ich versuche nur beide Seiten so ein bisschen zu verstehen und im Westen ist aus meiner Sicht diese Fähigkeit oder der Wille, die andere Seite zu verstehen, relativ beschränkt und das ist, glaube ich nie gut und das wusste auch sogar schon Willy Brandt, als er irgendwann in den 70er Jahren die Politik der kleinen Schritte und sagte die Wahrheit hat immer 2 Seiten, so ideen mäßig, so hab ich das gerade im Kopf. So siehts aus.

00:36:53 - Würden Sie jetzt jemandem eher abraten oder empfehlen nach Russland zu gehen und ein Unternehmen zu gründen

Daniel: Jetzt ist eben wirklich die Frage. Wenn jetzt heute ein Mandant zum Herrn Sauerborn kommt und sagt also Russland? Würde Sie jetzt gerade in dieser Situation jemanden empfehlen lieber abzuwarten erstmal noch, oder durchaus jetzt zu sagen: Ok, also der ganze Gründungs-, Etablierungsprozess, der nimmt eh eine bestimmte Zeit in Anspruch und dann bis dahin haben wir wieder Ruhe in der Kiste, oder wie gehen sie momentan vor? Auch mit mit Unternehmen, die vielleicht nehmen wir mal an, im Dezember letzten Jahres zu ihnen gekommen sind und gesagt haben Herr Brand, wir haben da was von Russland. Was raten Sie jemanden, in so einem Umfeld?

Thomas: Wir beraten keine natürlichen Personen, die nach Russland kommen, oder nur noch in Ausnahmefällen und ich seh jetzt auch Russland nicht wie vielleicht England oder Südafrika oder keine Ahnung, Spanien als Land, wo ein Europäer jetzt hingeht, um mal auszuwandern, um ein neues Leben zu starten. Das fängt allein schon mit der Sprache an, also wenn sie kein Russisch können und hier irgendwie sich ein neues Leben aufbauen wollen und Chef waren, das funktioniert ja gar nicht. Also es gibt aber zum Beispiel relativ viele Deutsch-Russen, also die nen russischen Hintergrund haben, die lange in Deutschland gelebt haben und dann jetzt Geschäfte in Russland machen auf Kleinunternehmer Niveau. Das sind aber auch nicht unsere Mandanten, weil wir beraten Wirtschaftsunternehmen, die investieren. Also natürlich ist der Markt groß und interessant, aber das hängt natürlich vom spezifischen Produkt und den Markt ab, also westliche Technologie, Know-how, Maschinen Anlagenbau warum sind sie so erfolgreich in Russland? Weil hier viel produziert wird und dafür westliche Anlagen, Maschinen und Know-how benötigt werden. Wenn wir jetzt über reine Absatz Thematik reden, also B2C, hat natürlich auch riesiges Potential. Es gibt ja auch viele landwirtschaftliche Unternehmen etc. pp., allein 3600 deutsche Unternehmen, aus allen Bereichen. und die größtenteils sehr gute Geschäfte machen; des Steuersystems, also Gewinnsteuer 20%, da gibt es Sonderwirtschaftszonen für produzierende Unternehmen. Für IT Unternehmen wurde jetzt gerade die Gewinnsteuer auf 0 reduziert, für die nächsten 3 Jahre. Wenn man hier investiert, einen Spezial Investitionsvertrag abschließt mit der Regierung, ist man verpflichtet, bestimmte Mindest-Investitionen zu leisten, Arbeitsplätze zu schaffen. Da hat man zum Teil wirklich tolle Vergünstigungen, die auch richtig Geld dann in die Kasse spülen oder die man nicht ausgeben muss, besser gesagt. Als Individuum, ich zahle hier, ich hab hier bis letztes Jahr, ich hab nur eine Tax Rate, 13% Flat, also während alle meine Anwaltskollegen, keine Ahnung 50% zahlen, hab ich hier die letzten Dekaden 13% gezahlt, können Sie sich ausrechnen, was da über bleibt. Jetzt sind sei anderthalb Jahren bisschen erhöht auf 15% für große Gehälter, also alles was über 30000€ ist noch im alten Kurs, alles drunter mir 13 weiterhin alles drüber mit 15, 2% mehr ist immer noch wahnsinnig wenig. Das heißt es ist im Prinzip schon so eine Art Steueroase, kann man fast sagen.

00:40:00 - Welchen Status haben deutsche Produkte in Russland?

Daniel: So wie ist denn die Einstellungen zu deutschen Produkten eigentlich im Land? Also es gibt jetzt Länder, in denen man deutsche Produkte liebt und auch vorzugsweise kauft, welche Absatzchancen haben denn deutschen Produkte im Land?

Thomas: Also Made in Germany, ist ja absolut auch der Renner. Also Vertrauen in die die Qualität der Produkte und es spielt auch nämlich auf chinesische Produkte eine große Rolle, also im Industriebereich, weil das ist erstens ein anderes Preissegment, also eigentlich ja teurer und schwerer zu verkaufen, aber viele Unternehmen sagen, und das höre ich auch immer wieder von meinem Mandanten, die obwohl ihre Produkte teurer sind als Chinesische besser verkaufen, weil die Deutschen echt gut sind im After Sales Bereich, also Service, Ersatzteilversorgung etc. pp. Und das machen die Chinesen im Prinzip nicht. Die schmeißen ihre Produkte über einen Zaun und wenn es kaputt ist, sagen Sie ja, kauft doch ein Neues und ja, das spielt auch eine große Rolle. Deutschland genießt einen guten Ruf für die deutschen Produkte, jetzt aber auch nicht immer. Also ist jetzt nicht so, dass der Ruf jetzt völlig glänzend ist. Es gibt noch immer wieder schlechte PR und teilweise auch begründet, weil deutsche Produkte sind auch nicht immer hundert Prozent, ist ja auch klar, aber im Grunde haben sind sie hier willkommen, auch geachtet und unsere Meinung wird gehört und also das wird geschätzt, also auch das Know How, die Ideen, wie macht ihr das in Europa? Und das sehen wir ja auch schon. Die Modernisierung der letzten Jahre, da hat Russland auch teilweise Deutschland glaube ich überholt, also das Steuerwesen ist deutlich entschlackt worden, es geht alles online. Da sind die Russen, lernen relativ schnell, also nicht so schnell wie die Chinesen. Also das Know How ist auf jeden Fall ein Fakt hier.

00:41:45 - Steuern & Krypto in Russland

Daniel: Um die Zahlen von von der Steuer nochmal ganz kurz festzunageln. Also wir haben keine Gewerbesteuer in Russland, das ist das, was ich verstanden habe. Es gibt eigentlich nur die Körperschafts-ähnliche Gewinnsteuer und die ist bei 20, dann habe ich gesehen gibt es noch Sonderwirtschaftszonen 15,5%, falls das noch aktuell ist oder 0%, haben Sie jetzt gesagt für IT. Ist im IT Bereich alles umfasst, also wie sieht es denn eigentlich mit FinTech Unternehmen aus, zum Beispiel?

Thomas: Krypto ist ein ganz schwieriges Thema, also hier gibt es diese, relativ viele auch diese Krypto Schöpfer. Ja, ich bin da kein Spezialist, und das ist im Moment in der Gesetzgebung auch relativ umkämpft auch. Also Kryptowährungen als solche, lassen wir sie zu, lassen wir sie nicht zu? Da gibt es 2 Meinungen, die einen sagen ja, die anderen ne verbieten, andere sagen ja reguliert zulassen. Ich glaube im Moment ist eher die Tendenz: nicht zuzulassen. Und was das KryptoMind angeht, da gibt es hier wohl auch immer sehr viele so schwarze Keller, wo KryptoMind betrieben wird und da gab es auch, da habe ich letztens einen Artikel gelesen, weil die Tarife für Privatnutzer und industrielle Nutzer sind unterschiedlich und da haben viele einfach schwarz privat ge-mint und dann den Privat-Tarif bezahlt und sind dann irgendwann von den Stromkonzernen, den Stromanbietern zur Kasse gebeten worden, weil es ja eine gewerbliche Tätigkeit war. Aber mehr weiß ich dazu auch nicht. Ich glaube, das ist im Moment noch so einen Graubereich und ansonsten gibt es aber wie gesagt relativ viele Steuervergünstigungen, auch Vergünstigungen für Kreditaufnahmen für KMUS. Es gab im Zusammenhang mit der Pandemie auch eine Absenkung der Sozialabgaben für KMU von 30 auf 15%. Und das sollte man sich immer im Einzelfall anschauen. Ich habe auch viele Mandanten, denen ist das relativ schnuppe, also die gehen nicht in Sonderwirtschaftszonen und für die ist es gar nicht interessant. Die machen auch nach dem normalen Modell, also mit den Steuern, die es so gibt, hier gute Geschäfte.

00:43:42 - Lohnkosten in Russland

Daniel: Wie ist denn das jetzt vergleichsweise? Also wir hatten jetzt erst vor vor ein paar Tagen eine Aufnahme und haben uns mal mit der Türkei beschäftigt, auch als einen interessanten Standort für Unternehmen, natürlich auch wegen der Verkehrsanbindung, aber dort war unter anderem auch ein Argument, die niedrigen Personalkosten. Jetzt haben Sie gesagt, also in Russland gibt es gut ausgebildetes junges Personal, ist die eine Sache. Aber wir wären denn jetzt Lohnkosten zum Beispiel in Russland für ein Unternehmen, was dahin geht und einstellt?

Thomas: Also ich bin kein professioneller Personalberater. Ich glaube, das es nicht Falsch ist zu sagen, in Moskau ist das Gehaltsniveau relativ hoch. Auch das Bruttoinlandsprodukt von Moskau ist ja sehr hoch, auch auf dem europäischen Vergleich. Also Russland ist kein Billiglohnland mehr. Das ändert sich vielleicht jetzt durch den Rubel-Verfall. Ich glaube es aber langfristig nicht. Das heißt, hier kommt eigentlich keiner mehr hin, nur weil es hier billige Löhne gibt. Die gibt es ja auch gar nicht, vielleicht billiger als in Deutschland, aber nach meiner Beobachtung ist das nie ein wirkliches Argument für ein Investitionsprojekt und es nimmt ja auch glaube ich im internationalen Vergleich eher ab, diese Betrachtungen, dass man irgendwo produziert, weil die Lohnkosten niedriger sind. Also, meines Erachtens ist das ein Punkt bei der Investitionsplanung, der in der Kategorie in den letzten Jahren überall eigentlich abgerutscht ist.

00:45:06 - Gibt es auch ausländische Unternehmen, die in Russland in der Landwirtschaftsbranche tätig sind?

Sebastian: Wir wissen jetzt ja auch zum Beispiel jetzt wieder hier durch die Krise ist das ja wieder offenbar geworden, dass ja Russland auch landwirtschaftlich ein sehr wichtiger Produzent ist für ganz diverse landwirtschaftliche Produkte. Also ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, ich habe ja auch lange Zeit in den USA gelebt, lange Zeit in Texas. Da hatte ich mit jemandem zusammengearbeitet, der hat damals, das war 2012/ 2013, glaub ich, so 600 Jungkühe, Black Angus Jungkühe nach Russland geschickt, wo jemand dann dort begonnen hatte, so einer Rinderzucht mehr oder weniger aufzubauen. Haben Sie Mandanten, die landwirtschaftlichen Bereich tätig sind?

Thomas: Ja, haben wir. Also das eine ist, wie gesagt, das ist eine große deutsche Agrar-Genossenschaft. Die haben hier Produktion, für die wir dann den Steuerprozess im Großen führen, aber auch andere Beratungsfragen. Dann haben wir noch einen Mandanten, wobei die sind eigentlich keine Mandanten mehr, die sind zu selbstständig. Das ist der größte russisch-deutsche Milchproduzent und dann im landwirtschaftlichen Bereich was haben wir denn noch? Also wir haben noch paar. Ja, aber Landwirtschaft ist ein riesiges Thema, aber es ist natürlich so ein bisschen wie, als würde ich das vergleichen mit der Bauwirtschaft. Das ist doch eigentlich lokales Geschäft und die Russen haben da auch dank der europäischen Sanktionen oder der Gegen-Sanktionen, das war ja ein Embargo von landwirtschaftlichen Produkten, die Russland gegen die eu verhängt hat. Also keine polnischen Äpfel, deutscher Käse und italienische Pasta mehr. Das hat der Landwirtschaft einen riesigen Schub gegeben. Früher habe ich hier noch keine Ahnung, brasilianisches Steak gekauft und japanische Melonen und jetzt ist das alles vor Ort produziert und das hängt auch ein bisschen damit zusammen, dass die unternehmerische Mentalitäten sich ein bisschen geändert hat und die Russen angefangen haben, langfristiger zu denken, was Investitionen und Return on Investment angeht. Und Landwirtschaft ist da ja ein bisschen langsamer und da haben die Russen sozusagen eher ihren eigenen Markt zurückerobert, so ein bisschen und sind nicht nur noch Absatzmarkt, sondern wieder Nettoexporteur. Jetzt gerade wenn sich die Weizen-Thematik anschauen, Ukraine, Russland hat glaub ich 30% der Weltmarktproduktion, also Russland ist gerne wieder Nettoexporteur und jetzt ist der Exportstopp für Weizen und das kann auch noch Auswirkungen haben. Aber auch auf Afrika, aber auch in Italien haben sie alle schon geschrien, alles wird teurer. Aber Landwirtschaft ist nach wie vor, glaube ich, immer auch noch an Bereich, der interessant ist.

Sebastian: Russland jetzt, ich sag mal, einer der Profiteure, auch sag ich jetzt mal vom vom Klimawandel jetzt, wenn man das mal so sagen darf, weil ja viele der Flächen eben im Osten des Landes, die jetzt momentan noch nicht für Landwirtschaft nutzbar sind, weil es schlicht und ergreifend zu kalt ist, sich erwärmen, in Zukunft, dann dort entsprechend eingesetzt werden können. Ja, und ist ein weiterer Grund, dass man hoffen kann, dass diese Krise sich jetzt relativ schnell hier zu einem relativ friedlichen Ende kommt. Wir haben ohnehin schon in vielen Teilen der Welt Lebensmittelknappheit und Versorgungsknappheit und eben mein Verständnis ist, dass Russland ein wichtiger Player ist, in dem Bereich, der auch gebraucht wird.

Thomas: Also wenn Sie sich die Kontinentalbewegungen anschauen der nächsten hundert Millionen Jahre sozusagen, auf jeden Fall ein Grundstück in Sibirien kaufen, weil das ist dann noch da. Der Rest ist jetzt ziemlich ziemlich abgespeckt dann. Ja also, das kann ich jetzt nicht beurteilen, aber was den Klimawandel angeht, Permafrost, das ist schon auch eine Gefahr, die von Russland ausgeht, weil der Co 2 der in den Permafrostböden gebunden ist, der dann freigesetzt wird, so wie ich verstanden habe. Wenn der Permafrost auftaut, das kann schon auch negative Folgen fürs Weltklima haben, oder hat es glaub ich sogar schon. Und Russland ist schon sehr, nach wie vor auf fossile Brennstoffe orientiert, auch wenn sie vielleicht in den nächsten Jahren weniger Öl und Gas nach Europa verkaufen, dann kaufens die Inder oder / und die Chinesen. Man muss ja auch sagen, das ist ihr gutes Recht. Und natürlich ist Klimawandel blöd. Ich glaub, man könnte oder man sollte und man wird irgendwann alles hundert Prozent aus erneuerbaren Energie machen können, aber wir im Westen können ja den Indern, den Chinesen jetzt sagen, ja macht das jetzt mal auch sofort. Wir haben seit der Industrial Revolution, fing ja eigentlich in England an, der ganze Käse, die Welt verpestet im Westen. Die anderen haben auch ein Recht auf ihre Entwicklung auf ihrer Zeitschiene, deswegen schwieriges Thema.

00:49:36 - Essen in Russland, Anreise, Verabschiedung

Daniel: Eine Frage habe ich an Sie noch? Was ist ihr Lieblingsgericht in Russland?

Thomas: Ne, also ganz ganz ehrlich, ich stehe auf mediterrane Küche. Nein, also ganz im Ernst, meine Freundin ist ja Italienerin, Bologneserin und ich bin ja viel in meinem Haus in der Toskana, also ich liebe italienische Küche. Russisch ist mir oft ein bisschen zu schwer, zu fettig, aber hier gibts auch nette Gerichte, also viele Suppen, aber auch Fleischgerichte, aber jetzt nicht so, dass ich sage.. Ich kauf mir auch gerne mal ein Kilo Kaviar, schwarzen Kavier, den krieg ich hier zu ganz und Preisen, aber ansonsten bin ich kein großer Liebhaber der russischen Küche.

Sebastian: Wunderbar, also war ein sehr interessantes Gespräch, Herr Brand. Das war also sehr, sehr faszinierend das so zu hören aus erster Hand, ja nur ich denk einfach faszinierend.

Daniel: Ja, interessant.

Thomas: Freut mich und wie gesagt also im Moment müssten sie mit dem PKW kommen oder über Istanbul fliegen, wie ich. Das war, ist eine super Airline. Das war eine gute Verbindung Bologna-Istanbul, Istanbul-Moskau. Der Flieger war auch voll. Ansonsten gab es ja viele Flüge. London-Moskau, oder auch Griechenland wird ja auch angeflogen nicht nur Zypern. Wenn sie dann irgendwann mal nicht mehr mit dem Auto kommen müssten, also wann die Lufträume wieder geöffnet werden. Ich glaube, man muss sich mal ein Bild machen als Westeuropäer von Russland. Ich sag mal so wer Lissabon und Moskau nicht gesehen hat, der ist eigentlich kein richtiger Europäer, weil das ist sozusagen die Spanne. Ist eine tolle Stadt wirklich, kulturell unheimlich viel zu bieten und ich lebe sehr gern hier.

Sebastian: OK. Danke fürs Gespräch, schönes Wochenende bis dahin, ne.

Daniel: Vielen Dank.

Podcastl: Bis zur nächsten Folge von Perspektive Ausland, der Podcast für alle Unternehmer, die es ins Ausland zieht.

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